Studien-Report: Forschungsergebnisse zur Situation von Frauen und LGBT+ Personen im europäischen Breitensport (Deutsche Sporthochschule Köln/SGS-Projekt, Wien/Köln 2023)

Das EU-Projekt Sport for all Genders and Sexualities legt den Abschlussbericht der Umfrage vor.

Das von der EU kofinanzierte Projekt SGS – Sport for all Genders and Sexualities mit dem Ziel eine inklusive Sportkultur für alle Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität im europäischen Breitensport zu fördern, hat einen weiteren großen Meilenstein erreicht. Im Rahmen des Projekts wurde von der Deutschen Sporthochschule eine wissenschaftliche Studie durchgeführt, die Einblicke in die Situation von Frauen und LGBT+ Personen im organisierten Breitensport in Europa geben soll.

Ziel der Forschungsprojekts

Das Ziel der Forschung bestand darin, die im organisierten Sport vorherrschenden Geschlechternormen und -stereotypen zu ermitteln und ihre Auswirkungen auf Diskriminierungserfahrungen und den Ausschluss von Mädchen, Frauen und LGBT+ Personen im Breitensport zu verstehen.

Stichprobe/Befragte

Für die Studie wurden 2.832 Personen befragt, die im organisierten Breitensport tätig sind, darunter Sportler*innen, Trainer*innen, Vorstandsmitglieder und Freiwillige. Die Stichprobe umfasst Befragte aus Europa mit einem Fokus auf Personen aus Deutschland, Österreich, Spanien, dem Vereinigten Königreich und Italien. Drei Viertel der Teilnehmenden identifizieren sich als heterosexuell und knapp 95 % als cis Personen.

Zentrale Ergebnisse

In der Studie wurden auf gesellschaftlicher, organisatorischer und individueller Ebene verschiedene Faktoren untersucht, die Herausforderungen und Barrieren für die Partizipation von Mädchen, Frauen und LGBT+ Personen im organisierten Sport darstellen. Im Folgenden sind zentrale Ergebnisse der Studie dargestellt:

  • 77 % bis 84 % der Befragten denken, dass es im Sport Einstellungen und Verhaltensweisen gibt, die Frauen, lesbische/bisexuelle Frauen, schwule/bisexuelle Männer sowie trans*/inter*/nicht-binäre Personen diskriminieren und benachteiligen.
     
  • Während Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter erzielt wurden (79 %), setzen sich deutlich weniger Sportorganisationen für eine Gleichstellung im Kontext der sexuellen Orientierung (56 %) und der Geschlechtsidentität (43 %) ein. 4 von 10 Organisationen (40%) nutzen eine inklusive Sprache und geben Informationen zur im Verein verankerten Antidiskriminierungspolitik weiter, während nur ein Viertel über eine Antidiskriminierungsstelle verfügen.
     
  • Beobachtete diskriminierende Sprache: Im letzten Jahr wurden die Befragten Zeug*innen von sexistischer (46 %), homofeindlicher (28 %) und transfeindlicher Sprache (16 %) bei ihren sportlichen Aktivitäten.  Zwischen 10 % und 29 % der Befragten beobachteten auch andere Diskriminierungsformen abseits von Sprache.
     
  • Etwa 10 % der Befragten erlebten persönlich negative Vorfälle in ihren Hauptsportarten, darunter sexistische und homofeindliche Äußerungen, ungerechte Behandlung und sogar körperliche Gewalt.
     
  • 9 % der Befragten fühlen sich von spezifischen Sportarten, die sie gerne betreiben würden, ausgeschlossen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität. Ebenso wie bei den Befunden zu den persönlichen negativen Erfahrungen, sind trans* und nicht-binäre Athlet*innen besonders vulnerabel, obwohl auch cis Personen betroffen sind (9 % der cis Frauen fühlen sich von bestimmten Sportarten ausgeschlossen).

Weitere Informationen, vertiefende Einblicke und Ergebnisse finden Sie im vollständigen Report und den Infografiken.

Downloads

Die Stichprobe besteht aus 2.832 Befragten. Von ihnen bezeichnen sich ¾ als heterosexuell, 13 % als schwul oder lesbisch und 10 % als bisexuell. Jeweils etwas weniger als 50 % der Befragten sind Frauen bzw. Männer, 3 % bezeichnen sich als nicht-binär. Fast die Hälfte der Befragten sind Sportlerinnen, jeweils etwa ¼ Trainerinnen und Vorstandsmitglieder/Managerinnen. Die überwiegende Mehrheit der Athletinnen und Trainer*innen betreibt Freizeitsport (48 %) oder Leistungssport im Amateurbereich (40 %), während 12 % im Spitzensport aktiv sind.

Die Befragten sind relativ sensibel in Bezug auf diskriminierende Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber allen Gruppen im organisierten Sport. Mit 84 % ist die Zustimmung zur wahrgenommenen Diskriminierung von trans, inter und nicht-binären Personen am höchsten, gefolgt von schwulen/bisexuellen Männern und (lesbischen/bisexuellen) Frauen.

In den Sportorganisationen der Befragten ist die Förderung der Geschlechtergleichstellung recht weit verbreitet (79 %), während weit weniger Befragte angeben, dass ihre Organisation die sexuelle Vielfalt (56 %) oder die geschlechtliche Vielfalt (43 %) fördert. 4 von 10 Organisationen unterstützen eine inklusive Sprache und informieren ihre Mitglieder über Antidiskriminierungsmaßnahmen, während nur ¼ der Befragten Antidiskriminierungsstelle in ihren Organisationen haben.
Etwa 60 % der Vorstandsmitglieder und Führungskräfte geben an, dass Vielfalt oder Gleichstellung Teil der Satzung oder der Werte ihrer Organisationen sind, und dass Fälle von Diskriminierung verfolgt werden. Davon orientieren sich jedoch nicht einmal ein Drittel an einem standardisierten organisationsweiten Verfahrensplan.

20 % der Athletinnen geben an, dass ihre Trainerin keine diskriminierungsfreie und geschlechtersensible Sprache verwendet. Gleichzeitig geben mehr als 70 % an, dass ihre Trainer*in niemals diskriminierende Bemerkungen aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität macht.
Diskriminierende Sprache kommt in der Hauptsportart/-organisation der Befragten häufiger vor als andere Formen von Diskriminierung. Dabei wurde Sexismus in den letzten 12 Monaten am häufigsten beobachtet, gefolgt von Homofeindlichkeit und Transfeindlichkeit.

10 % der Befragten berichten von mindestens einer negativen Erfahrung in ihrer Hauptsportaktivität/-organisation in den letzten 12 Monaten, wobei sexistische Äußerungen, homofeindliche Äußerungen und unfaire/ungleiche Behandlung am häufigsten genannt werden. ¼ der Befragten haben Erfahrungen mit körperlicher Grenzüberschreitung und 10 % mit körperlicher Gewalt gemacht. Nicht-binäre Personen sind die am meisten gefährdete Gruppe, wenn es um negative Erfahrungen im organisierten Sport geht, gefolgt von Personen mit queerer Identität und Transfrauen. 9 % der Sportlerinnen verzichten bewusst auf bestimmte Sportarten, die sie interessieren, weil sie internalisierte Ängste haben, diskriminiert zu werden. Dabei gibt es große Unterschiede nach Geschlechtsidentität: Nicht-cis-Athletinnen sind besonders betroffen: 63 % der weiblichen Trans-Athletinnen verzichten auf Sportarten, die sie interessieren, gefolgt von männlichen Trans-Athleten (47 %) und nicht-binären Athletinnen (39 %).

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